19. Juni 2007

Wilhelm Josef Sebastian MdB: Brief aus Berlin — Rhein-Zeitung Juni 2007

Über eine gesetz­li­che Ver­an­ke­rung der Pati­en­ten­ver­fü­gung ist bereits in der letz­ten Wahl­pe­ri­ode dis­ku­tiert wor­den. Zu einem förm­li­chen Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren kam es dann wegen der vor­zei­ti­gen Auf­lö­sung des 15. Deut­schen Bun­des­ta­ges nicht mehr. Im Koali­ti­ons­ver­trag haben die Koali­ti­ons­part­ner des­halb vor­ge­schla­gen, die Dis­kus­si­on über eine gesetz­li­che Absi­che­rung der Pati­en­ten­ver­fü­gung fort­zu­füh­ren und abzuschließen.

Am 29. März 2007 fand eine Ori­en­tie­rungs­de­bat­te zum The­ma Pati­en­ten­ver­fü­gung statt. Sie mach­te deut­lich, dass die bei­den bis dahin in der Öffent­lich­keit bekann­ten Gesetz­ent­wür­fe nicht die gesam­te Band­brei­te an Auf­fas­sun­gen und Über­zeu­gun­gen abde­cken. Etli­che Debat­ten­red­ner ver­tra­ten eine drit­te Lösung, die das Ziel anstrebt, der Indi­vi­dua­li­tät der hoch­kom­ple­xen Situa­tio­nen am Lebens­en­de gerecht zu wer­den. Des­halb liegt jetzt ein neu­er Gesetz­ent­wurf vor, der die­sen drit­ten Weg und die Hal­tung die­ser Grup­pe von Abge­ord­ne­ten wider­spie­geln soll. Der Ent­wurf befin­det sich dar­über hin­aus weit­ge­hend in Über­ein­stim­mung mit der Hal­tung der Bundesärztekammer.

Dem­nach wird die gesetz­li­che Rege­lung nur das abso­lut Uner­läss­li­che regeln und so gewähr­leis­ten, dass jeder Ein­zel­fall indi­vi­du­ell behan­delt wer­den kann. Die Viel­falt der denk­ba­ren Situa­tio­nen im Ster­ben lässt sich nicht bis ins Detail regeln. Wir brau­chen daher eine unkom­pli­zier­te und unbü­ro­kra­ti­sche Rege­lung, die sich an der heu­ti­gen Pra­xis ori­en­tiert und im Kli­nik­all­tag bewährt. Grund­sätz­lich gehen wir von einem ethi­schen Ver­hal­ten der Ärz­te aus. Es ist daher nicht erfor­der­lich, die­se regel­haft durch Drit­te zu kontrollieren.

Es geht hier aus­drück­lich nicht um eine par­tei­po­li­tisch rele­van­te Fra­ge. Es han­delt sich bei die­sem The­ma um eine Gewis­sens­ent­schei­dung, die sich aus­schließ­lich an per­sön­li­chen Über­zeu­gun­gen ori­en­tiert. Daher wer­ben wir auch für eine frak­ti­ons­über­grei­fen­de Zustim­mung. Der neue, schlan­ke Gesetz­ent­wurf hat fol­gen­de Schwerpunkte:

1. Die Pati­en­ten­ver­fü­gung ist grund­sätz­lich ver­bind­lich. Sowohl der aus­drück­lich erklär­te als auch der zu ermit­teln­de mut­maß­li­che Wil­le des Pati­en­ten wirkt fort, wenn der Pati­ent nicht mehr ein­wil­li­gungs­fä­hig ist.

2. Auch wenn eine Pati­en­ten­ver­fü­gung vor­liegt, erfolgt immer eine indi­vi­du­el­le Ermitt­lung der aktu­el­len Situa­ti­on des Pati­en­ten­wil­lens. Dabei wer­den z. B. die aktu­el­len Begleit­um­stän­de, der Stand der medi­zi­ni­schen Ent­wick­lung oder wei­te­re geeig­ne­te Kri­te­ri­en berücksichtigt.

3. Sind sich der Arzt, der die Behand­lung fort­füh­ren möch­te, und der Bevoll­mäch­tig­te, der die Umset­zung der Pati­en­ten­ver­fü­gung for­dert, nicht einig, ist das Vor­mund­schafts­ge­richt ein­zu­schal­ten. Die­ses stellt fest, ob der Wil­le des Pati­en­ten rich­tig ermit­telt wurde.

4. Bestimm­te Abläu­fe im gericht­li­chen Ver­fah­ren beim Vor­mund­schafts­ge­richt wer­den geregelt.

Der Geset­zen­wurf basiert auf der christ­li­chen Über­zeu­gung, dass Ster­ben ein Pro­zess der indi­vi­du­el­len Ein­sicht jedes Pati­en­ten ist, sich gegen den Tod nicht mehr zu weh­ren, son­dern das Ster­ben zuzu­las­sen. Das ist eine logi­sche Kon­se­quenz unse­res christ­li­chen Men­schen­bil­des. Leben und Ster­ben der Men­schen lie­gen nach christ­li­chem Ver­ständ­nis in Got­tes Hand. Das heißt aber nicht, dass Men­schen im Blick auf den Tod nicht han­deln dürf­ten. Es zeich­net den Men­schen aus, dass er auch dazu bestimmt ist, sein Ster­ben zu beden­ken und zu gestalten.