Zukunft der Kreismusikschule — Rede im Kreistag von Michael Schneider
Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren,
wir befassen uns heute mit der Zukunft der Kreismusikschule und es ist sicherlich eine der weitest reichenden Entscheidungen der Kreispolitik der letzten Jahre. Die Fraktionen und jedes einzelne Kreistagsmitglied haben es sich dabei nicht leicht gemacht. In unserer Fraktion ist intensiv und lange beraten worden. Es war der richtige Schritt, die Bestandsanalyse einem unabhängigen und renommierten Sachverständigen von außen zu überlassen. Politische Entscheidungen müssen sich auf sicherem Terrain begründen und nur eine ungefärbte Sicht der Dinge ermöglicht uns eine ausgewogene Abwägung der Fakten und Argumente.
Dazu gehören natürlich auch die Kenntnis der Ansichten der Betroffenen, die wir eben hier gehört haben, die uns aber auch durch zahlreiche E‑Mail, Schreibenben und Leserbrief in ihrer Bandbreite bekannt sind.
‘Die Kreismusikschule ist in einem strukturellen Dilemma gefangen’. Diese Aussage des Sachverständigen in seinem Gutachten beschreibt die Ausgangslage für eine politische Entscheidung zur Kreismusikschule zutreffend. Wir haben dies im Vortrag von Prof. Vermeulen gehört und es muss hier nicht im Detail wiederholt werden. Die Kennzahlen als Ergebnis der Analyse umreißen ziemlich klar ein Bild der Situation:
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[*]der Kreis bezahlt Tag für Tag etwa 1000,- € für die Musikschule
[*]der Zuschuss des Kreises stieg pro Schüler in drei Jahrenvon 302 € auf 447 €
[*]nur Dank stark gestiegener RWE-Dividenden in den letzten Jahren, die der Kreismusikschule zufließen, konnte der Zuschussbedarf pro Jahr unter 400.000 € gehalten werden.
[*]die Zahl der Schüler sank von 1.100 (2003) auf 850 in diesem Jahr
[*]85 Prozent aller Angebote sind – gerechnet auf die Flächen und –Bevölkerungsverteilung im Kreis – auf etwa 20 Prozent der Standorte konzentriert. Im Umkehrschluss: 80 Prozent des ländlichen Flächenkreises Ahrweiler werden durch die Angebote nicht oder nur unzureichend abgedeckt. Dies ist unter dem Namen ‘KREISmusikschule’ besonders bedenklich.
[*]wir erreichen mit den Angeboten nur etwa 6,5 von 1000 Einwohnern des Kreises
[*]eine durchschnittliche private Musikstunde kostet lautet Gutachter 30,- €, den Kreis kostet eine Musikstunde dagegen 40,- €[/list] Darüber hinaus hören wir von qualitativen Mängeln. Vor allem wird der Kriterienkatalog des Verbandes Deutscher Musikschulen beim Curriculum, also beim systematischen Aufbau der Angebote, deutlich verfehlt. Man kann von einem ‘Flickwerk’ reden, wie im Gutachten…über Wortwahlen kann man da sicher streiten. Man darf diesen Zustand aber zumindest als ‘bedenklich’ bezeichnen.
Um diese Defizite des inhaltlichen Angebotes zu beseitigen, veranschlagt der Gutachter, wenn ich es richtig lese, einen zusätzlichen Zuschussbedarf von etwa 140.000 € pro Jahr. Damit wären aber dann die strukturellen Probleme der Kreismusikschule keineswegs auch nur annähernd gelöst. Insbesondere gilt dies für die demographische Entwicklung – sinkende Schülerzahlen – sowie die räumliche Abdeckung der Angebote im Kreisgebiet. Dies aufzufangen, würde einen ungleich höheren Finanzbedarf bedeuten. Wir müssten Geld ausgeben, das wir nicht haben. Es ist Teil der offenen Diskussion heute, dass wir dies auch deutlich sagen. Es gehört zur Realität der heutigen Kommunalpolitik in Städten, Gemeinden und auch hier im Kreis, dass die Spielräume zur breiten Ausgestaltung freiwilliger Leistungen einfach nicht mehr da sind. Wir können diese Tatsache ignorieren und weiter in den Tag hinein leben.
Wir können dies aber auch als Auftrag aufnehmen, neue Wege zu beschreiten und Lösungen zu suchen. Als CDU haben wir uns zu diesem zweiten Weg entschlossen. Es entspricht auch unserem Verständnis von nachhaltiger Politik, dies zu tun.
Dabei ist es übrigens keine Frage — dies sei hier einmal eingeschoben — ob die Musikschule dem einzelnen Schüler zum Vorteil gereicht. Davon gehen wir eigentlich aus. Es stellt sich für uns vielmehr die Frage: sind die Mittel, die wir in der bisherigen Organisationsform als Kreis zur Verfügung stellen, optimal angelegt?
Die Argumente, eine gute und umfassende musikalische Erziehung im Kreis Ahrweiler sei nur in der jetzigen Organisationsform der Kreismusikschule möglich, sind aus unserer Sicht so nicht richtig. Wir sagen ganz klar: wir rütteln nicht an der Notwendigkeit der Musikerziehung, sondern wir stellen den Weg, dieses Ziel umzusetzen, auf den Prüfstand!
Ordnungspolitisch müssen wir uns nämlich sehr wohl die kritische Frage stellen, inwieweit die öffentliche Hand mit der Kreismusikschule Ahrweiler Aufgaben wahrnimmt, die genauso gut oder besser der Markt, die privaten Anbieter, regeln können. Dabei muss der Ehrlichkeit halber hier auch erwähnt werden, dass die Kreismusikschule eine rein freiwillige Leistung und Einrichtung ist.
Wir sind der Auffassung, dass vor allem im sehr breiten Bereich des Instrumentenunterrichts im Einzel- oder Kleingruppenbereich der private Markt qualitativ gleichwertige und vor allem auch bezahlbare Angebote machen kann und wird. Es ist Grundlage unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, dass der Staat nur das regeln soll, was der Markt allein nicht regeln kann.
Vor uns liegt durchaus also ein ‘Paradigmenwechsel’, wie es der Gutachter – vielleicht etwas zu akademisch geprägt – ausdrückt. Wir wenden uns ab von einer Angebots- und Vorhaltepolitik hin zu einer Nachfragepolitik, die unter Nutzung von Markt- Mechanismen möglichst flexibel und kundenorientiert ist.
Wir verlassen uns für die Zukunft aber nicht nur blind auf den freien Markt, wir wollen auch deutlich verstärkt unsere Musikvereine im Kreis und damit das Ehrenamt einbinden und auch die Schulen – und nicht nur die in Kreisträgerschaft — anregen und veranlassen, musikalische Angebote im Gruppen- und Ensemblebereich aufzubauen, auszubauen und zu intensivieren.
Der Kreis Ahrweiler soll dabei vom Grunde eine koordinierende Funktion beibehalten:
[list][*]indem er die Partner des neuen Prozesses in den Dialog einbindet,
[*]indem er für eine breite und umfassende Information über alle Akteure und Angebote sorgt
[*] indem er dort, wo es notwendig wird, sich selbst in die aktive Förderung einzelner Bereiche einbindet
[/list] Mit einer Entscheidung heute für die Variante II, der Schließung der Kreismusikschule in ihren jetzigen Form, verabschiedet sich der Kreis Ahrweiler also keineswegs von der Förderung der musikalischen Erziehung und Bildung. Die CDU-Fraktion wird daher – nicht leichten Herzens, aber überzeugt, den richtigen Schritt zu gehen – der vorgeschlagenen Variante II zustimmen.
Wir verbinden damit aber auch den Auftrag an die Verwaltung, bei der Umsetzung des Beschlusses dafür zu sorgen, dass auch zukünftig die Förderung des Kreises für die musikalische Erziehung wahrgenommen wird.
Dies soll in neuer Form geschehen und es liegt bei uns allen, ein Förderszenario zu entwickeln, dass zielgerichtet, effektiv, vernünftig und bezahlbar ist. Für unsere Fraktion empfinden wir das auch als Auftrag und Selbstverpflichtung, uns dieser Frage, im kommenden Halbjahr und darüber hinaus, zuzuwenden.
In diesem Zusammenhang darf ich zum Schluss auch eine Bitte an alle diejenigen richten, die sich in im Vorfeld der heutigen Entscheidung besorgt und kritisch an uns gewandt haben: helfen Sie mit und bringen Sie sich ein in eine neue Struktur der musikalischen Erziehung und Bildung im Kreis Ahrweiler.
Bundespräsident Köhler hat es auf den Punkt gebracht: ‘Die Möglichkeiten des Staates sind begrenzt. Er ist vor allem auf die Kraft und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Das Netz der hoheitlichen Daseinsvorsorge wird in weiten Teilen unseres Landes nicht mehr so dicht geknüpft sein können. Wir brauchen künftig noch viel mehr bürgerschaftliches Engagement — in der Nachbarschaft und im Stadtteil, im Verein und am Arbeitsplatz, im sozialen Bereich und in Kulturangelegenheiten.’ Vielen Dank!