10. Dezem­ber 2005

Zukunft der Kreismusikschule — Rede im Kreistag von Michael Schneider

Sehr geehr­ter Herr Land­rat, sehr geehr­te Damen und Herren, 

wir befas­sen uns heu­te mit der Zukunft der Kreis­mu­sik­schu­le und es ist sicher­lich eine der wei­test rei­chen­den Ent­schei­dun­gen der Kreis­po­li­tik der letz­ten Jah­re. Die Frak­tio­nen und jedes ein­zel­ne Kreis­tags­mit­glied haben es sich dabei nicht leicht gemacht. In unse­rer Frak­ti­on ist inten­siv und lan­ge bera­ten wor­den. Es war der rich­ti­ge Schritt, die Bestands­ana­ly­se einem unab­hän­gi­gen und renom­mier­ten Sach­ver­stän­di­gen von außen zu über­las­sen. Poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen müs­sen sich auf siche­rem Ter­rain begrün­den und nur eine unge­färb­te Sicht der Din­ge ermög­licht uns eine aus­ge­wo­ge­ne Abwä­gung der Fak­ten und Argumente.

Dazu gehö­ren natür­lich auch die Kennt­nis der Ansich­ten der Betrof­fe­nen, die wir eben hier gehört haben, die uns aber auch durch zahl­rei­che E‑Mail, Schrei­ben­ben und Leser­brief in ihrer Band­brei­te bekannt sind.

‘Die Kreis­mu­sik­schu­le ist in einem struk­tu­rel­len Dilem­ma gefan­gen’. Die­se Aus­sa­ge des Sach­ver­stän­di­gen in sei­nem Gut­ach­ten beschreibt die Aus­gangs­la­ge für eine poli­ti­sche Ent­schei­dung zur Kreis­mu­sik­schu­le zutref­fend. Wir haben dies im Vor­trag von Prof. Ver­meu­len gehört und es muss hier nicht im Detail wie­der­holt wer­den. Die Kenn­zah­len als Ergeb­nis der Ana­ly­se umrei­ßen ziem­lich klar ein Bild der Situation:
[list] [*]der Kreis bezahlt Tag für Tag etwa 1000,- € für die Musikschule 

[*]der Zuschuss des Krei­ses stieg pro Schü­ler in drei Jah­ren­von 302 € auf 447 € 

[*]nur Dank stark gestie­ge­ner RWE-Divi­­den­­den in den letz­ten Jah­ren, die der Kreis­mu­sik­schu­le zuflie­ßen, konn­te der Zuschuss­be­darf pro Jahr unter 400.000 € gehal­ten werden. 

[*]die Zahl der Schü­ler sank von 1.100 (2003) auf 850 in die­sem Jahr 

[*]85 Pro­zent aller Ange­bo­te sind – gerech­net auf die Flä­chen und –Bevöl­ke­rungs­ver­tei­lung im Kreis – auf etwa 20 Pro­zent der Stand­or­te kon­zen­triert. Im Umkehr­schluss: 80 Pro­zent des länd­li­chen Flä­chen­krei­ses Ahr­wei­ler wer­den durch die Ange­bo­te nicht oder nur unzu­rei­chend abge­deckt. Dies ist unter dem Namen ‘KREIS­mu­sik­schu­le’ beson­ders bedenklich. 

[*]wir errei­chen mit den Ange­bo­ten nur etwa 6,5 von 1000 Ein­woh­nern des Kreises 

[*]eine durch­schnitt­li­che pri­va­te Musik­stun­de kos­tet lau­tet Gut­ach­ter 30,- €, den Kreis kos­tet eine Musik­stun­de dage­gen 40,- €[/list] Dar­über hin­aus hören wir von qua­li­ta­ti­ven Män­geln. Vor allem wird der Kri­te­ri­en­ka­ta­log des Ver­ban­des Deut­scher Musik­schu­len beim Cur­ri­cu­lum, also beim sys­te­ma­ti­schen Auf­bau der Ange­bo­te, deut­lich ver­fehlt. Man kann von einem ‘Flick­werk’ reden, wie im Gutachten…über Wort­wah­len kann man da sicher strei­ten. Man darf die­sen Zustand aber zumin­dest als ‘bedenk­lich’ bezeichnen.

Um die­se Defi­zi­te des inhalt­li­chen Ange­bo­tes zu besei­ti­gen, ver­an­schlagt der Gut­ach­ter, wenn ich es rich­tig lese, einen zusätz­li­chen Zuschuss­be­darf von etwa 140.000 € pro Jahr. Damit wären aber dann die struk­tu­rel­len Pro­ble­me der Kreis­mu­sik­schu­le kei­nes­wegs auch nur annä­hernd gelöst. Ins­be­son­de­re gilt dies für die demo­gra­phi­sche Ent­wick­lung – sin­ken­de Schü­ler­zah­len – sowie die räum­li­che Abde­ckung der Ange­bo­te im Kreis­ge­biet. Dies auf­zu­fan­gen, wür­de einen ungleich höhe­ren Finanz­be­darf bedeu­ten. Wir müss­ten Geld aus­ge­ben, das wir nicht haben. Es ist Teil der offe­nen Dis­kus­si­on heu­te, dass wir dies auch deut­lich sagen. Es gehört zur Rea­li­tät der heu­ti­gen Kom­mu­nal­po­li­tik in Städ­ten, Gemein­den und auch hier im Kreis, dass die Spiel­räu­me zur brei­ten Aus­ge­stal­tung frei­wil­li­ger Leis­tun­gen ein­fach nicht mehr da sind. Wir kön­nen die­se Tat­sa­che igno­rie­ren und wei­ter in den Tag hin­ein leben.

Wir kön­nen dies aber auch als Auf­trag auf­neh­men, neue Wege zu beschrei­ten und Lösun­gen zu suchen. Als CDU haben wir uns zu die­sem zwei­ten Weg ent­schlos­sen. Es ent­spricht auch unse­rem Ver­ständ­nis von nach­hal­ti­ger Poli­tik, dies zu tun.

Dabei ist es übri­gens kei­ne Fra­ge — dies sei hier ein­mal ein­ge­scho­ben — ob die Musik­schu­le dem ein­zel­nen Schü­ler zum Vor­teil gereicht. Davon gehen wir eigent­lich aus. Es stellt sich für uns viel­mehr die Fra­ge: sind die Mit­tel, die wir in der bis­he­ri­gen Orga­ni­sa­ti­ons­form als Kreis zur Ver­fü­gung stel­len, opti­mal angelegt? 

Die Argu­men­te, eine gute und umfas­sen­de musi­ka­li­sche Erzie­hung im Kreis Ahr­wei­ler sei nur in der jet­zi­gen Orga­ni­sa­ti­ons­form der Kreis­mu­sik­schu­le mög­lich, sind aus unse­rer Sicht so nicht rich­tig. Wir sagen ganz klar: wir rüt­teln nicht an der Not­wen­dig­keit der Musik­erzie­hung, son­dern wir stel­len den Weg, die­ses Ziel umzu­set­zen, auf den Prüfstand!

Ord­nungs­po­li­tisch müs­sen wir uns näm­lich sehr wohl die kri­ti­sche Fra­ge stel­len, inwie­weit die öffent­li­che Hand mit der Kreis­mu­sik­schu­le Ahr­wei­ler Auf­ga­ben wahr­nimmt, die genau­so gut oder bes­ser der Markt, die pri­va­ten Anbie­ter, regeln kön­nen. Dabei muss der Ehr­lich­keit hal­ber hier auch erwähnt wer­den, dass die Kreis­mu­sik­schu­le eine rein frei­wil­li­ge Leis­tung und Ein­rich­tung ist.

Wir sind der Auf­fas­sung, dass vor allem im sehr brei­ten Bereich des Instru­men­ten­un­ter­richts im Ein­­zel- oder Klein­grup­pen­be­reich der pri­va­te Markt qua­li­ta­tiv gleich­wer­ti­ge und vor allem auch bezahl­ba­re Ange­bo­te machen kann und wird. Es ist Grund­la­ge unse­rer Wir­t­­schafts- und Gesell­schafts­ord­nung, dass der Staat nur das regeln soll, was der Markt allein nicht regeln kann.

Vor uns liegt durch­aus also ein ‘Para­dig­men­wech­sel’, wie es der Gut­ach­ter – viel­leicht etwas zu aka­de­misch geprägt – aus­drückt. Wir wen­den uns ab von einer Ange­­bots- und Vor­hal­te­po­li­tik hin zu einer Nach­fra­ge­po­li­tik, die unter Nut­zung von Markt- Mecha­nis­men mög­lichst fle­xi­bel und kun­den­ori­en­tiert ist.

Wir ver­las­sen uns für die Zukunft aber nicht nur blind auf den frei­en Markt, wir wol­len auch deut­lich ver­stärkt unse­re Musik­ver­ei­ne im Kreis und damit das Ehren­amt ein­bin­den und auch die Schu­len – und nicht nur die in Kreis­trä­ger­schaft — anre­gen und ver­an­las­sen, musi­ka­li­sche Ange­bo­te im Grup­­pen- und Ensem­ble­be­reich auf­zu­bau­en, aus­zu­bau­en und zu intensivieren.

Der Kreis Ahr­wei­ler soll dabei vom Grun­de eine koor­di­nie­ren­de Funk­ti­on beibehalten:
[list][*]indem er die Part­ner des neu­en Pro­zes­ses in den Dia­log einbindet,
[*]indem er für eine brei­te und umfas­sen­de Infor­ma­ti­on über alle Akteu­re und Ange­bo­te sorgt
[*] indem er dort, wo es not­wen­dig wird, sich selbst in die akti­ve För­de­rung ein­zel­ner Berei­che einbindet
[/list] Mit einer Ent­schei­dung heu­te für die Vari­an­te II, der Schlie­ßung der Kreis­mu­sik­schu­le in ihren jet­zi­gen Form, ver­ab­schie­det sich der Kreis Ahr­wei­ler also kei­nes­wegs von der För­de­rung der musi­ka­li­schen Erzie­hung und Bil­dung. Die CDU-Frak­­ti­on wird daher – nicht leich­ten Her­zens, aber über­zeugt, den rich­ti­gen Schritt zu gehen – der vor­ge­schla­ge­nen Vari­an­te II zustimmen.

Wir ver­bin­den damit aber auch den Auf­trag an die Ver­wal­tung, bei der Umset­zung des Beschlus­ses dafür zu sor­gen, dass auch zukünf­tig die För­de­rung des Krei­ses für die musi­ka­li­sche Erzie­hung wahr­ge­nom­men wird.

Dies soll in neu­er Form gesche­hen und es liegt bei uns allen, ein För­der­sze­na­rio zu ent­wi­ckeln, dass ziel­ge­rich­tet, effek­tiv, ver­nünf­tig und bezahl­bar ist. Für unse­re Frak­ti­on emp­fin­den wir das auch als Auf­trag und Selbst­ver­pflich­tung, uns die­ser Fra­ge, im kom­men­den Halb­jahr und dar­über hin­aus, zuzuwenden.

In die­sem Zusam­men­hang darf ich zum Schluss auch eine Bit­te an alle die­je­ni­gen rich­ten, die sich in im Vor­feld der heu­ti­gen Ent­schei­dung besorgt und kri­tisch an uns gewandt haben: hel­fen Sie mit und brin­gen Sie sich ein in eine neue Struk­tur der musi­ka­li­schen Erzie­hung und Bil­dung im Kreis Ahrweiler.

Bun­des­prä­si­dent Köh­ler hat es auf den Punkt gebracht: ‘Die Mög­lich­kei­ten des Staa­tes sind begrenzt. Er ist vor allem auf die Kraft und das Enga­ge­ment der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ange­wie­sen. Das Netz der hoheit­li­chen Daseins­vor­sor­ge wird in wei­ten Tei­len unse­res Lan­des nicht mehr so dicht geknüpft sein kön­nen. Wir brau­chen künf­tig noch viel mehr bür­ger­schaft­li­ches Enga­ge­ment — in der Nach­bar­schaft und im Stadt­teil, im Ver­ein und am Arbeits­platz, im sozia­len Bereich und in Kul­tur­ange­le­gen­hei­ten.’ Vie­len Dank!